Die Patagonischen Eisfelder

Die Patagonischen Eisfelder


Eigentlich wollte ich nach 5 Tagen in Puerto Aysen wieder weiter fahren. Mir gefiel es jedoch sehr gut hier und der Wetterbericht für die nächsten Tage sah nicht sehr rosig aus.

Schlussendlich wartete ich 10 Tage bis sich ein ideales Zeitfenster für meine Weiterreise bot. Ein Sprichwort besagt: Wer sich in Patagonien beeilt, verschwendet seine Zeit (El que se apura en Patagonia, pierde su tiempo).

Der Abschied von Marcelo und dieser schönen Ortschaft fiel mir nicht leicht. Zuerst fuhr ich ein Stück weit dem Rio Aysen hoch bis zur Mündung mit dem Rio Blanco. Einige Kilometer weiter flussaufwärts setzte ich mit der Fähre auf die andere Seite hinüber.

Mein erstes Ziel war der Lago Portales. Dieser ist einer von mehreren Seen hier in der Aysen Region.

An der offiziellen Einbootstelle lernte ich noch eine Familie kennen, die auf der anderen Seite vom See lebt. Das Wetter war um diese Tageszeit zwar bewölkt, aber einigermassen windstill.

Jedoch nahm der Wind langsam zu und als ich nach etwa einer Stunde bereit war, bildeten sich bereits die ersten Wellen.

Zum Glück blies der Wind von hinten. Am Ufer entlang paddelte ich den See hoch und erreichte nach einer Stunde die Stelle, wo man normalerweise zu Fuss zum Lago Zenteno hinüber läuft.

Für die Weiterfahrt alleine bei diesem Wetter war mir jedoch nicht so wohl. Deshalb entschloss ich mich an der Südostseite vom Lago Portales wieder zurück auf das Velo zu wechseln.

Nachdem ich ausgebootet hatte und alles wieder auf dem Velo verstaut war, radelte ich auf der Ruta 608 noch eine Stunde weiter bis ich einen schönen Zeltplatz direkt an einem Flussufer fand.

Die Stimmung am nächsten Morgen war schon fast wie im Herbst. Ein leichter Nebel hing über der Landschaft und es herrschten frische Temperaturen.

Mein Magen machte mir am Morgen Probleme und ich hatte leichten Durchfall. Schon nach wenigen Kilometern erreichte ich den Wasserfall am Rio Colorado.

Landschaftlich gefiel mir dieser Teil der Strecke sehr gut und es hatte fast keinen Verkehr auf der Schotterstrasse hier.

Gegen Mittag erreichte ich den Lago Atravesado. Hier hatte ich die nächste Seeüberquerung geplant. Der Wetterbericht für die nächsten Tage sah jedoch nicht gut aus und ich wollte deshalb möglichst viel Distanz mit dem Velo zurück legen.

Ein paar Kilometer später kam die Ortschaft Villa Lago Atravesado, wo ich in einem Minimercado einkaufen konnte. Leider nahm ab hier der Verkehr deutlich zu und auch die Temperaturen kletterten in die Höhe.

Die Landschaft ist hier viel weniger grün und alles ist auf beiden Seiten der Strasse eingezäunt. Am Wochenende kommen viele Einheimische aus der Stadt hier hin zur Erholung.

Auf der Ruta Seis Lagunas bis zur Ortschaft Villa Frei ging es noch einigermassen mit dem Verkehr. Anschliessend herrschte auf der Schotterpiste so viel Verkehr, dass ich regelrecht eingestaubt wurde. In solchen Momenten fühle ich mich hier in Chile wie ein Gefangener in einem Käfig voll Staub und ich bin der Staubsauger darin.

Erst gegen Einbruch der Dunkelheit fand ich endlich ein Tor, das ich öffnen konnte um dahinter mein Zelt aufzustellen. Selbst meine Sonnenbrille war von dem vielen Verkehr völlig eingestaubt.

Todmüde fiel ich an diesem Tag in den Schlafsack und ärgerte mich mal wieder über die rücksichtslosen chilenischen Autofahrer. Mein Mittelfinger war heute im Dauereinsatz.

Der nächste Tag begann mit einem schönen Sonnenaufgang. Nach ein paar Kilometern erreichte ich die Ortschaft El Blanco. Hier traf ich zum ersten Mal auf die Carretera Austral.

Im Jahre 1976 begannen unter der Militärdiktatur Augusto Pinochets die Bauarbeiten für die Carretera Austral (übersetzt: südliche Landstrasse). Ausgangspunkt waren militärische Überlegungen um die Südgrenze Chiles gegen Ansprüche Argentiniens zu sichern. Mehr als 10'000 Soldaten und 200 Millionen US-Dollar wurden für den Bau eingesetzt.

Zwar gibt es hier deutlich mehr Verkehr, dafür ist die Strasse asphaltiert. Gleich beim Eingang zum Nationalpark Cerro Castillo lief ein Huemul (Südandenhirsch) vor mir über die Strasse.

Landschaftlich ist die Gegend hier sehr schön. Jedoch machte mir mein Magen ziemlich Probleme. Fast konstant ging es den Berg hoch. Durchfall ist in einem solchen Moment nicht gerade ideal.

Gegen 16:00 Uhr hatte ich keine Energie mehr und stellte mein Zelt in einem Waldstück neben der Strasse auf. Gegen Abend schlug das Wetter langsam um.

Eine gute Portion Schlaf half mir am nächsten Morgen noch die letzten Höhenmeter zu bewältigen. Bei der Abfahrt fing es leicht an zu regnen.

Trotz des schlechten Wetters konnte man den Cerro Castillo (2'675 m.ü.M.) gut sehen. Castillo bedeutet Schloss auf Spanisch und die steilen Basaltwände sehen tatsächlich ein wenig danach aus.

Kurze Zeit später zweigte ich von der Carretera Austral ab und radelte weiter in Richtung Puerto Ingeniero Ibanez. Dabei kam ich an mehreren Lagunen vorbei. Unter anderem an der Laguna Morales.

Wenige Kilometer vor der Ortschaft kam mir ein Velofahrer aus Lausanne entgegen. Wir verabredeten uns für das Festivelo Ende November (https://www.festivelo.ch) in diesem Jahr und verabschiedeten uns danach wieder voneinander.

Bei der Ankunft in Puerto Ingeniero Ibanez stürmte ich zuerst den erstbesten Supermercado und gönnte mir ein zweites Frühstück.

Von hier aus führt eine Fähre über den Lago Buenos Aires / General Carrera. Eigentlich wollte ich nur mal kurz am Hafen abklären, wann die nächste Fähre nach Chile Chico fährt. Jedoch stand gerade ein Boot im Hafen und ich konnte gerade noch rechtzeitig einsteigen.

Der Lago Buenos Aires / General Carrera ist der zweitgrösste See in Südamerika (nach dem Titicaca See), hat eine Gesamtfläche von 1'850 km², ist mehr als 200 km lang und fast 590 m tief. Sein Wasser fliesst zuerst in den Lago Bertrand und danach in den Rio Baker.

Auf der Fähre unterhielt ich mich während der 2 stündigen Überfahrt mit ein paar Fotografen aus Rom. Einer von ihnen meinte, dass die Dimensionen der Landschaft hier in Patagonien kaum mit einer Kamera festzuhalten sind. Dem kann ich nur zustimmen.

In Chile Chico fand ich auf dem Camping No Me Olvides einen idealen Ort für einen Ruhetag. Maria, die Besitzerin, bietet in ihrem Obstgarten für maximal 5 Zelte eine Möglichkeit zum übernachten.

Chile Chico ist bekannt für sein Mikroklima. Früchte wie Aprikosen und Kirschen reifen hier besonders gut. 1971 und 1991 wurde die Stadt von grossen Aschenregen des Vulkan Cerro Hudson überzogen.

Der Aussichtspunkt befindet sich ein wenig oberhalb der Stadt, wo man eine schöne Aussicht auf den See und die Umgenung geniessen kann. Jedoch ist es auch hier sehr windig.

Maria lud mich noch zum Nachtessen ein. Das Wetter für die kommenden 3 Tage schien einigermassen ideal zu sein. Nur die Prognosse für den Wind war nicht ganz optimal.

Zuerst ging es am folgenden Tag über die Grenze nach Argentinien. Auf beiden Seiten waren die Zollbeamten freundlich und speditiv. Ein Besuch von Los Antiguos lies ich aus, da ich noch einige Kilometer zu bewätigen hatte an diesem Tag.

Gleich nach dem Grenzübergang ging es auf die Ruta Provincal 41. Diese führt am Rio Jeinimeni entlang. Hier auf der Argentinischen Seite sind die Steigungen nicht so extrem wie in Chile und deshalb viel einfacher zu bewältigen mit dem Velo.

Besonders beeindruckend fand ich, wie schnell sich die Landschaft hier verändert. Kaum ist man ein paar Kilometer von dem Fluss und See entfernt gibt es keine Bäume mehr. Nur noch ein paar vereinzelte kleine Büsche.

Auch gibt es hier nur noch wenige Zäune und praktisch kaum Verkehr, was mir gleich von Anfang an gefiel. Genau aus diesem Grund hatte ich die Route gewählt.

Jedoch sind die Schotterstrassen auch hier in Argentinien nicht in besonders gutem Zustand. Praktisch konstant fährt man auf endlosen Wellblechpisten. Genauso wie in Chile.

Das Farbenspiel war irrsinnig und ausser dem Wind hörte ich kaum andere Geräusche. Insgesamt sah ich heute weniger als 10 Fahrzeuge. Ein krasser Kontrast zu dem Verkehr auf der Carretera Austral.

Leider hatte sich meine Verdauung noch immer nicht ganz richtig erholt und ich musste gelegentlich wieder hinter einen Busch flüchten. Auch hier sieht man immer wieder Denkmäler, die an Verkehrsopfer erinnern. Beim Fahrstil der Einheimischen hier verwundert mich das überhaupt nicht.

Der Wind nahm am Nachmittag immer mehr zu. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass er aus allen Richtungen blässt. Einmal passte ich kurz nicht auf, als eine Windböe von der Seite kam. Mein Vorderrad blieb sofort im Sand stecken und ich landete auf der Strasse.

Zum Glück passierte mir und Siemis (mein Velo) aber nichts und schon kurze Zeit später erreichte ich die Brücke über den Rio Zeballos.

Die Route führte immer mehr in die Berge hinein. Der Wind lies langsam nach und die ersten Bäume und kleine Bachläufe tauchten auf.

Das steigerte gleich meine Moral und ich schaffte es bis am Abend tatsächlich noch bis zum Arroyo Lincoln. Hier befindet sich ein kleiner Fluss und man darf hier offiziel wild Zelten.

Am Morgen beim Aufstehen wurde ich von einem wunderschönen Sonnenaufgang begrüsst und es blies fast kein Wind.

Gleich von Anfang an war wieder klettern angesagt. Ein paar Abschnitte auf der Steigung waren ziemlich steil, ich konnte jedoch alles fahren.

Eigentlich war ich noch froh um die Steigungen, den die Temperaturen waren am Morgen noch ziemlich frisch. Heute sah ich während des ganzen Tages genau 4 Autos und 2 Motorradfahrer.

Nachdem ich den Arroyo Canalele überquert hatte veränderte sich die Landschaft gleich wieder. Gegen 11:00 Uhr erreichte ich endlich El Portezuelo, den höchsten Punkt auf 1'490 m.ü.M.

Ein paar Kilometer später machte ich am Strassenrand Mittagspause und sah dabei zum ersten Mal Andenkondore. Sie sind mit bis zu 15 Kilogramm die schwersten Greifvögel und zählen zu den wenigen Vögeln, deren Spannweite über 300 cm betragen kann. Ein imposanter Anblick.

Bei der Weiterfahrt ging es langsam auf eine Hochebene runter und der Wind wurde wieder zunehmend stärker. Die Felsformationen hier gefielen mir sehr gut.

Wenig später kam ich am Paso Roballos an. Der Grenzposten auf der Argentinischen Seite war nur eine kleine Hütte mitten im Nirgendwo. Der Beamte war sehr freundlich. Einen Computer gibt es hier nicht. Alles wurde von Hand in ein Buch eingetragen und ich kriegte meinen ersten Ausreisestempel in den Pass.

Auf der 10 Kilometer langen Weiterfahrt zum Chilenischen Grenzposten blies mir der Wind mit voller Wucht entgegen. Hier fängt der Nationalpark Patagonien an.

Einst ein privates Naturschutzgebiet, das als öffentlich zugägnlicher Park betrieben wurde, wurde es 2018 von Tompkins Conservation (Gründer und ehemaliger Chef der Textilmarke The North Face) an die Chilenische Regierung gespendet. Kurz vor dem Grenzposten sah ich zum ersten Mal zwei Guanakos.

Auch bei der erneuten Einreise nach Chile war der zuständige Beamte äusserst freundlich und effizient. Bei der Weiterfahrt kam ich am Cerro Baker (2'230 m.ü.M.) vorbei.

Auf flacher Strasse und mit viel Gegenwind fuhr ich in den Nationalpark hinein. Wirklich schnell kam ich dabei nicht vorwärts.

Gegen Abend erreichte ich den Camping Alto Valle. Dieser ist offiziell geschlossen, aber das war mir in diesem Moment egal. Ich schob mein Velo einfach unter der Absperrung durch.

In einem der windgeschützten Bauten auf dem Grundstück stellte ich mein Zelt auf. Einen besseren Platz für die Nacht hätte ich mir nicht wünschen können.

Zur Feier des Tages kochte ich mir eine extra grosse Portion Nudeln mit Pestosauce auf meinem Holzkocher. Bei Einbruch der Dunkelheit kroch ich schnell in den warmen Schlafsack und schlief sofort ein.

Beim Frühstück am nächsten Morgen konnte ich erneut einen wunderschönen Sonnenaufgang geniessen. Jedoch beeilte ich mich um möglichst schnell wieder in den Sattel zu steigen, den die Temperaturen waren sehr frisch.

Die Fahrt ging dem Rio Chacabuco entlang. Leider war die Strasse hier richtig übel zum fahren. Die schöne Landschaft kompensierte ein wenig die Tortur.

Eines der grössten Probleme hier auf den Chilenischen Strassen sind die enorm steilen Steigungen. Meistens ist es fast unmöglich mit einem Velo diese hoch zu fahren.

Gerade als ich mein Velo bei der Ankunft in das Valle Guanaco den Berg hoch stosste, stand am Strassenrand plötzlich eine Herde Guanakos. Die Tiere sind überhaupt nicht scheu und starten mich bloss an, während ich an ihnen vorbei lief.

Auf dem Anstieg zur Laguna Gutierrez nahm der Wind immer mehr zu. Am anderen Ende der Lagune machte ich beim Picknickplatz eine kurze Mittagspause. Dabei schaute mir eine Herde Guanakos aus der Ferne beim Essen zu.

Das Guanako ist die Stammform des domestizierten Lamas. Man findet sie in Höhen bis zu 4'000 m. Sie gehören zur Familie der Kamele und sind Pflanzenfresser. Leider sind durch den massenhaften Abschuss die Bestandeszahlen immer kleiner geworden und heute gibt es nur noch etwas mehr als ein Prozent der ursprünglichen Zahl (ca. 600'000 Tiere).

Bei der Fahrt aus dem Nationalpark hinaus wurde ich mehrmals vom Regen überrascht. Die einzelnen Schauern waren aber schnell wieder vorbei.

Kurz bevor ich die Carretera Austral erreichte erblickte ich zum ersten Mal den Rio Baker. Die Farbe des Flusses erinnerte mich ein wenig an die Soca in Slowenien.

Sofort gab es wieder mehr Verkehr als ich auf der Carretera Austral weiter fuhr und die Strasse ging fast permanent hoch und runter. Kurz nach 17:00 Uhr erreichte ich endlich Cochrane.

Zwei Tage verbrachte ich in der Stadt. Die Temperaturen fielen ziemlich tief und in der ersten Nacht schneite es ziemlich weit runter.

Für mein nächstes Packraft Abenteuer auf dem Rio Baker musste ich genügend Proviant hier in Cochrane organisieren. Denn bis zum Ziel in Caleta Tortel gibt es auf dem Fluss keine Verpflegungsmöglichkeit mehr.

Nach einem erholsamen Wochenende ging es am Montag Morgen in der früh bei kalten Temperaturen zuerst wieder in den Sattel. Etwa 10 Kilometer musste ich nochmals auf der Carretera Austral zurück radeln um zur Einbootstelle am Rio Baker zu gelangen.

Das Wetter war an diesem Tag richtig traumhaft und die Aussicht auf den Rio Baker richtig imposant. Einen besseren Start hätte ich mir nicht wünschen können.

Direkt neben der Balsa Baker Fähre fing ich an alle meine Sachen auf das Packraft zu laden. Nach anderthalb Stunden war ich startklar und paddelte los.

Das Gefühl auf dem Wasser unterwegs zu sein ist nicht vergleichbar mit den staubigen Strassen hier. Kein Verkehr oder Zäune, tolle Landschaft und ziemlich viele Wasservögel auf beiden Seiten vom Fluss. Einfach traumhaft!

Der Rio Baker ist Chiles Fluss mit der höchsten Wasserführung. Das spürte ich sofort. Verglichen mit dem Rio Palena hat es hier einiges mehr an Strömung.

Dank dem schönen Wetter war die Aussicht auf die umliegende Landschaft fantastisch. Die Dimensionen der Berge und Gletscher hier sind echt beeindruckend.

Direkt am Flussufer machte ich eine kurze Mittagspause. Trotz Sonnenschein stiegen die Temperaturen nicht über 12° Celsius heute.

Bei der Weiterfahrt kam plötzlich eine Stelle mit ziemlich hohen Wellen und anschliessend einem grossen Kehrwasser. Auf der Routenbeschreibung sah ich, dass dies die erste Stromschnelle der Klasse 2 gewesen war. Noch einmal Glück gehabt!

An einigen Stellen sieht man immer wieder Wälder, die wie abgestorben oder verbrannt aussehen. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in dieser Region ein vom Staat unterstützes Programm um Weideflächen für Kühe und Schafe zu schaffen. Dabei wurden ganze Landstriche abgebrannt. Leider hat sich die Natur grösstenteils bis heute nicht von diesem Eingriff erholt.

Wenig später wurde der Fluss immer lauter. Auf meiner Karte war hier eine Stromschnelle der Klasse 3 angegeben. Ich bootete am rechten Ufer aus und entschloss mich nach einer Besichtigung die Stelle nicht zu fahren.

Eigentlich sollte hier ein Pfad am rechten Ufer entlang führen. Diesen konnte ich jedoch nicht finden und so blieb mir nichts anderes übrig als das ganze Material über die grossen Felsblöcke zu tragen. Erst nach 3 Stunden hatte ich die Stelle umtragen.

Völlig durchgeschwitzt und todmüde paddelte ich noch ein wenig in der Abenddämmerung weiter bis ich einen geeigneten Platz zum zelten am Ufer fand. Auf der Fahrt bemerkte ich, dass mein Packraft ein ganz kleines Loch hatte. Das musste beim Umtragen passiert sein.

Ich stellte nur noch mein Zelt auf, kochte kurz eine Nuddelsuppe und fiel danach in den Schlafsack. Erst am nächsten Morgen reparierte ich das kleine Loch notdürftig mit Ducktape.

Der Tag begann mit einem schönen Morgenrot. Jedoch zogen bald schon dunkle Wolken auf. Das Wetterphänomen El Niño führt momentan hier in Südamerika zu verstärkten Niederschlägen und starken Wind.

Bald schon hatte ich alles wieder auf das Packraft verladen und paddelte weiter. Durch die Bewölkung war es heute ncht ganz so kalt, wie in den Tagen zuvor.

Nach 10 Kilometern erreichte ich El Salto. An dieser Stelle führt der ganze Fluss durch einen Engpass und gilt als nicht befahrbar. Auf der linken Seite führt ein Pfad zum Paso San Carlos. Ich stieg schon etwas früher aus und inspizierte zuerst den Weg zu Fuss.

Der Weg machte den Eindruck eines Singletrails und ich entschloss mich alles auf das Velo zu laden. Dadurch erhoffte ich mir ein wenig Zeit zu sparen.

Auf dem ersten Kilometer ging das noch ziemlich gut und ich konnte sogar ein paar mal für kurze Zeit radeln. Jedoch ist der Pfad eher für Pferde ausgelegt und nicht zum Velofahren.

An einem Bachlauf musste ich dann die Hälfte meines Gepäcks zurück lassen um die Steigung zu bewältigen. Ein Gaucho kam mir kurz darauf auf einem Pferd und in Begleitung von 2 Hunden entgegen. Er erzählte mir, dass weiter vorne noch 2 Leute mit einem Kajak unterwegs sind.

Kurz vor der Einbootstelle traf ich dann die Beiden. Andrea und seine Frau Anne Maria kommen aus dem Norden von Brasilien und sind mit ihrem Seekajak auf dem Rio Baker unterwegs.

Genau wie ich, hatten sie gestern etwa 4 Stunden benötigt für die Umtragung der Stelle. Am Schluss ging es noch ein paar Meter über eine Felswand an den Fluss runter. Sie warteten auf mich und gemeinsam paddelten wir weiter.

Mit ihrem Seekajak kamen sie deutlich schneller vorwärts als ich. Mit meinem Packraft hatte ich keine Chance ihnen hinter her zu fahren.

Trotz des schlechten Wetters hatten wir einen guten Ausblick auf das Nördliche Patagonische Eisfeld (Gesamtfläche von 4'200 km²). Das Eisfeld ist, zusammen mit dem etwa dreimal grösseren Südlichen Patagonischen Eisfeld, Relikt des Patagonischen Eisschildes. Dieses bedeckte vor 18'000 Jahren (letzte Kaltzeit) grosse Teile der Südanden.

Schon bald fing es an zu regnen. Andrea hatte über einen Freund einen Kontakt erhalten in der Nähe vom Lago Vargas. Wir bogen in Caleta Puerto Nuevo vom Hauptfluss in einen kleinen Kanal ab. Hier war es viel weniger windig und es herrschte eine richtig friedliche Stimmung.

Gegen Abend erreichten wir dann das Haus von Luis und seiner Frau, wo wir auf ihrem Hof in einem Raum übernachten durften. Was für eine Erleichterung bei diesem Wetter ein Dach über dem Kopf zu haben.

Die Beiden leben hier in einer sehr abgelegenen Gegend ohne Strom und fliessendem Wasser. Sie ernähren sich fast komplett selbst mit Gemüse, Früchte und Kräutern aus ihrem grossen Garten. Am Abend wurden wir zu einem leckeren Nachtessen eingeladen.

Fast die ganze Nacht hindurch regnete und stürmte es draussen. Wir liessen uns am Morgen Zeit. Ich musste mein Loch im Packraft richtig reparieren, da die Notreparatur in dem kalten Wasser nicht gehalten hatte. Gemeinsam mit Luis assen wir danach Frühstück.

Erst gegen Mittag waren wir bereit für die Weiterfahrt. Mit dem Wetter hatten wir richtig Glück heute. Zwar war es ziemlich kalt aber es hatte fast kein Wind und nur ein paar Mal regnete es ganz kurz.

Nachdem wir uns von unseren tollen Gastgebern verabschiedet hatten paddelten wir zuerst aus dem Kanal hinaus zurück auf den Hauptfluss.

Die meisten Berggipfel und Gletscher waren heute wegen der starken Bewölkung nicht sichtbar. Eine letzte kleine Stromschnelle der Klasse 2 mussten wir am Anfang noch bewältigen, was aber gut ging.

Die Reperatur an meinem Packraft heute Morgen hielt richtig gut und ich konnte dadurch schon fast mit dem Seekajak mitziehen. Die Carretera Austral führt hier direkt dem Fluss entlang.

Nach etwa 2 Stunden Fahrt mussten wir uns kurz die Beine vertretten. Dank der starken Strömung kamen wir sehr gut vorwärts. Nur die Kälte war nicht so angenehm.

Wenn man bedenkt, dass die beiden Patagonischen Eisfelder nur noch die Reste des ursprünglichen Eisschildes sind, wird einem hier beim Anblick erst bewusst, wie gross das Ganze einmal war.

Gegen 15:00 Uhr waren wir noch etwa 20 Kilometer von Caleta Tortel entfernt und entschlossen uns am Ufer kurz eine Essenspause zu machen.

Auf der Weiterfahrt kamen immer wieder einzelne Berge aus den Wolken heraus. Weltweit gibt es leider nur noch wenige Flüsse wie den Rio Baker, die auf so langer Strecke frei fliessen (ohne Wasserkraftwerk).

Ein wenig fühlte ich mich wie ein winziger Wassertropfen in einem riesigen Fluss auf diesen letzten Kilometern. In solchen Momenten realisiert man, wie klein wir Menschen eigentlich sind im Verhältniss zur Natur.

Kurz bevor der Rio Baker in den Pazifischen Ozean mündet bogen wir in einen Seitenkanal ab der zum Flugfeld Aerodromo Enrique Mayer Soto führt.

Andrea hat hier sein Auto deponiert. Wir booteten aus und begannen unsere Sachen alle in das Fahrzeug zu laden. Die Sonne schenckte uns dazu noch ein paar wärmende Strahlen.

Nachdem alles verstaut war, fuhr Andrea mit dem Auto voraus und ich folgte ihm auf dem Velo bis zum Ende der Strasse. Dort parkierten wir das Auto und machten uns auf die Suche nach einer Unterkunft.

Nicht weit vom Parkplatz fanden wir bei Einbruch der Dunkelheit ein Hostel. Nach einer warmen Dusche ging ich in ein Restaurant, wo ich zum Abschluss dieses tollen Abenteuers einen leckeren Fisch ass.

Caleta Tortel ist eine Holzfällerstadt mit einem komplizierten Gehwegsystem, das von den Einwohnern der Stadt angelegt wurde und mehrere Kilometer rund um die Bucht (Caleta) verläuft.

Ohne diese Gehwege wäre angesichts der dichten Vegetation und der Steilheit der Hügel rund um die Bucht die einzige Möglichkeit zur Kommunikation und Fortbewegung zwischen den Häusern das Boot. Das Gehwegsystem ist Teil der Kultur der Stadt und eine lokale Touristenattraktion geworden.

Zuerst versuchte ich am nächsten Tag ein Ticket für die Fähre nach Puerto Natales zu kriegen. Jedoch war das Büro geschlossen. So begann ich zuerst mein Velo und danach das Gepäck die vielen Stufen runter zu tragen.

Andrea und Anne Maria halfen mir noch dabei. Danach musste ich mich bereits wieder von ihnen verabschieden. Sie wollen nach Norden in wärmere Gebiete fahren. Vielen Dank für die tolle Zeit!

Bei der ganzen Aktion sprach mich noch Joe an. Er ist ebenfalls mit dem Velo unterwegs, kommt ursprünglich aus England und will auch mit der Fähre nach Puerto Natales fahren.

Ich machte mich danach zuerst auf die Suche nach einer Unterkunft für die nächsten Tage. Fast am anderen Ende der Ortschaft fand ich im Hospedaje Albita den geeigneten Schlafplatz.

Albita hat schon ihr ganzes Leben hier in Tortel verbrachte und kennt alle zuständigen Personen, welche für die Fähre zuständig sind hier im Ort. Sie kontaktierte diese um sicher zu stellen, dass ich noch ein Ticket kriegte.

Nachdem ich alle meine Sachen in meinem Zimmer verstaut hatte machte ich mich auf den Weg zum Sendero Cerro Vijia. Dieser Pfad führt einmal um die ganze Halbinsel herum.

Von oben hat man einen schönen Ausblick auf die Rio Baker Mündung mit den unterschiedlichen Inseln darin. Unter anderem die Isla de las Muertes.

Die Insel diente als Friedhof für eine Gruppe von Arbeitern von der Baker Betriebsgesellschaft, welche zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter seltsamen Umständen dort starben. Heute gilt die Insel als Kulturerbe.

Der Pfad ist an einigen Stellen nicht sehr gut unterhalten und ziemlich sumpfig. Trotz des schlechten Wetters hatte sich die Rundtour aber gelohnt.

Am nächsten Tag konnte ich dann tatsächlich mein Ticket für die Fähre kaufen. Das Wetter blieb konstant schlecht und die Schneefallgrenze kam ziemlich weit runter.

Zum Glück hatte ich ein Dach über dem Kopf und Albita machte jeden Morgen ein leckeres Frühstück mit selbstgemachten Brötchen und Konfitüre.

Mein Magen hatte sich immer noch nicht ganz erholt. In Cochrane hatte ich mir in einer Apotheke ein paar Medikamente gegen Durchfall besorgt und langsam wurde es besser.

Die Fähre fährt nur einmal die Woche, jeweils an einem Samstag. Bis zur Abfahrt blieben mir noch 2 Tage Zeit. Diese verbrachte ich hauptsächlich mit Spaziergängen durch Tortel.

Dabei lernte ich noch weitere Velofahrer kennen, die ebenfalls auf die Fähre gehen. Die Carretera Austral endet in Villa O' Higgins und von dort aus ist ein Weiterkommen auf Grund der momentanen Wetterlage ziemlich aufwendig. Deshalb haben einige entschieden die Alternative mit der Fähre zu nehmen.

Am Samstagabend waren wir schlussendlich 18 Velofahrer am Hafen. Ein schönes Gefühl mit so vielen anderen Gleichgesinnten unterwegs zu sein. Erst gegen Mitternacht war die Fähre beladen und mit einer Verspätung von 2 Stunden ging die Fahrt los.

Schlafen konnte ich auf der Fähre nicht besonders gut. Dafür war ich am Morgen bei Sonnenaufgang bereits auf dem Deck und bewunderte die schöne Landschaft. Trotz des schlechten Wetters konnte man viel von der Umgebung sehen.

Im Messier Kanal passierten wir ein Schiffswrack. Die Captain Leonidas (ursprünglich: Molda) wurde 1937 in Bremen gebaut und lief am 7. April 1968 hier auf Grund. Das Frachtschiff transportierte Zucker und kam aus Santos in Brasilien.

Das Schiff sitzt auf der Spitze eines unter Wasser liegenden Berges, dem Bajo Cotopaxi. Die Löcher in den Seitenwänden stammen von der Chilenischen Armee, die das Schiff für Schiessübungen verwendeten. Die Regierung hat ein Licht und einen Reflektor auf den Masten des Wracks montiert, welche als Leuchtturm fungieren für den Schiffsverkehr in der Gegend.

Der Ausblick auf das Südliche Patagonische Eisfeld fand ich richtig impossant. Immer wieder tauchten aus den Wolken einzelne Berggipfel und Gletscher auf.

Das Südliche Patagonische Eisfeld (Campo de Hielo Sur) ist das grösste Gletschergebiet auf der Südhalbkugel ausserhalb der Antarktis. Die Länge des Gletschergebietes in Nord - Süd Richtung beträgt 350 km, die Breite liegt meisens zwischen 30 - 40 km und die Fläche beträgt ungefähr 18'000 km² (fast die Hälfte der Schweiz). Es gilt als grösstes Süsswasserreservoir in Südamerika.

Gegen Mittag erreichten wir Puerto Eden. Wir durften hier zwar kurz an Land gehen, der Hafen wurde jedoch abgesperrt und wir konnten nicht in die Ortschaft hinein.

Wenigstens konnten wir hier ein paar Empanadas kaufen. Eine willkommene Abwechslung zu dem Essen auf dem Schiff. Bei der Weiterfahrt ging es immer mehr durch die Fjorde, was mir sehr gefiel.

Fjorde entstehen durch Talgletscher, die von ihrem Ursprungsgebiet durch bereits bestehende Flusstäler abwärts fliessen. Das ursprüngliche Tal wird dabei breiter und tiefer und erhält seine typische Form als U - Tal.

Fjorde gibt es überall, wo Gebirge in Küstennähe einmal stark verreist waren oder es noch sind. Während der Fahrt kam ich auch mit den anderen Velofahrern ins Gespräch.

Besonders der Verkehr hier in Chile war der Schwerpunkt unserer Gespräche. Wir waren uns alle einige, dass die Einheimischen Autofahrer sehr rücksichtslos unterwegs sind. Man merkt sofort, wenn Touristen einen überholen.

Diese reduzieren die Geschwindigkeit und überholen mit genügend Abstand, während die Chilenen einfach mit Vollgas an einem vorbei rasen, was enorm gefährlich ist. Nach fast 45 Stunden Fahrt erreichten wir am zweiten Tag gegen Abend den Hafen von Puerto Natales.

Zusammen mit 2 Velofahrern aus Innsbruck, die mit ihrem Hund unterwegs sind, radelte ich zum Camping Guino. Patagonien ist hier zu Ende und ich freue mich jetzt auf die Weiterreise durch das Feuerland (Tierra del Fuego).